Libanon: Aoun schließt Rücktritte einzelner Minister nicht aus

Beirut

In einem Interview mit Daily Star spricht Michel Aoun, Chef der Freien Patriotischen Bewegung über die aktuelle Lage im Libanon. Er spricht sich gegen einen grundsätzlichen Rücktritt der Regierung aus, sieht jedoch die Möglichkeit, dass einzelne Minister zurücktreten. Aouns Freie Patriotische Bewegung ist an der Regierungskoalition mit Hisbollah und Amal beteiligt. Hier werden die wichtigsten des Gesprächs zusammengefasst und teilweise mit weiteren Informationen ergänzt.

Vielleicht werde „jemand zurücktreten, so Aoun, aber nicht das Kabinett. Er wisse, wer aus der Regierung zurücktreten werde, werde dies aber nicht sagen. Es sei möglich, dass der Innenminister zurücktrete. Sicherheit falle in dessen Bereich – er wisse aber nicht von konkreten Gesprächen über dessen Rücktritt.

Auf die Frage, ob das Kabinett den Rücktrittsforderungen (aus der Koalition 14.März, Red) folgen wird, erklärt Aoun das sei „sehr schwierig“, weil es Probleme gebe, ein Kabinett zu bilden und das Land ein politisches Vakuum derzeit nicht verkrafte. Man laufe Gefahr, ins Chaos abzudriften zumal es durchschnittlich sechs Monate dauern könne, ein neues Kabinett zu bilden. Ein Interimskabinett könne nicht die volle Funktion eines Kabinetts übernehmen, das das Vertrauen des Parlaments genieße. Schließlich sei die Regierung auch bei den viel intensiveren Demonstrationen ab 2006 nicht zurückgetreten und habe so Gespräche und den Gipfel von Doha ermöglicht.

Für die Sicherheit des Libanon sei er jedoch bereit, sich mit dem Bündnis 14. März die Hände zu reichen.

Dem oppositionellen Bündnis 14. März wirf Aoun eine Blockadehaltung vor. Man sei überrascht gewesen, in welche Richtung sich die Trauerfeier (von Wissam Al Hassan) entwickelte. (Dort hatte Fuad Siniora den Rücktritt der Regierung gefordert, anschließend versuchten Demonstranten Mikatis Regierungssitz zu stürmen, Red).

An die baldige Aufnahme des Nationalen Dialogs glaubt Aoun ebenfalls nicht, dafür sei eine „gewisse Atmosphäre“ nötig. Auch Saad Hariris Aufruf, friedlich zu bleiben, sieht er kritisch, da Hariri und Siniora nicht mehr die Quelle der Motivation seien. Diese hätten nur initial die Leute auf die Straße gebracht, etwa durch Sinioras Rede auf der Trauerfeier. Die aktuellen Entwicklungen in Tariq al Dschideh und den Palästinenserlagern zeige jedoch, dass inzwischen die Palästinenser involviert seien.

Über einen mutmaßlichen Auftraggeber des Mordes an Al Hassan sagt er, „vielleicht gibt es einen offensichtlichen Verdächtigen, aber möglicherweise ist er nicht dafür verantwortlich.“ Er glaube derzeit sei Syrien dazu nicht in der Lage, er wolle diese Möglichkeit jedoch nicht ausschließen.

Er wolle sich zudem nicht für oder gegen den Fall des syrischen Regimes aussprechen, sehe aber in Syrien im Vergleich zu anderen Regimen der arabischen Länder ein System das der Demokratie am nähsten komme, da man dort anziehen und auch äußern dürfe, was man wolle. Auch sei der Artikel der syrischen Verfassung gestrichen worden, welcher der Baath Partei Exklusivität zuschreiben. Die derzeitige Gemengelage zwischen Europa, Russland und den USA spreche dafür, dass sich das syrische Regime halten werde.

Seinen Standpunkt zur Hisbollah erklärte mit, man sei immernoch dem gemeinsamen Memorandum verpflichtet. Dahingegen definiere Walid Dschumblatt derzeit seine Beziehungen zu Aouns Partei – er sei mit Aouns politischen Gegnern verbündet. (Dschumblatt sitzt gemeinsam mit Aouns Partei und der Hisbollah für die Koalition 8. März in der Regierung, das Bündnis 14. März hatte ihn aufgefordert, seine Minister zurückzuziehen, um die derzeitige Regierung aus dem Amt zu holen, Red)

Generell sehe er das Land nicht vor dem Zusammenbruch. Dass Bewaffnete auf den Straßen auftreten sei eine natürliche Wutreaktion auf den Mord.Unnatürlich sei, wenn dies weiterginge.



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