Countdown zu Wahlen im Libanon

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Am Sonntag,7.Juni 2009, wählen 3,3 Millionen Libanesen ein neues Parlament. Dann wird in dem Mittelmeerstaat die Entscheidung getroffen, ob das antisyrische Bündnis „14.März“ unter Führung von Saad Hariri die Macht an das Oppositionsbündnis „8. März“ abgeben muss. Dieses steht unter Führung der radikalen schiitischen Hisbollah (auch Hizb Ullah: „Partei Gottes“). Umfrageergebnisse sehen den „islamischen Widerstand“, wie sich die Hisbollah selbst nennt vorn. Derzeit wird das Land nach langem politischen Stillstand von einer Allparteienregierung geleitet. Amtierender Präsident ist der Ex-General Michel Suleiman, der als Vermittler gilt.
Ein umstrittenes konfessionelles Wahlsystem und die häufigen Wechsel zwischen antisyrischer und prosyrischer Seite von führenden Politiker in den vergangenen Jahren machen die Wahlen in der politisch instablilen Zedernrepublik zu einer komplizierten Angelegenheit, deren Ausgang die Entwicklungen in der Region nachhaltig beeinflussen kann.
Die politische Landschaft des Staates teilt sich spätestens seit dem Attentat auf Rafiq Al Hariri vor vier Jahren an der Frage, wie man zu den Einmischungen des großen Nachbarstaats Syrien steht. Gegen die Einflussnahme Damaskus´ in Politik, Militär und Sicherheitsdienste steht das
Regierungsbündnis „14.März“, das sich nach dem Beginn der „Zedernrevolution“ benannte. Der Zusammenschluss aus den christlichen „Lebanese Forces“, der christliche Kataeb-Partei und den progessiven Sozialisten unter dem Drusen Walid Dschumblatt wird von Saad Al Hariri, dem Chef des ebenfalls involvierten „Zukunftsbündnisses“ geführt. Der 39-Jährige stellt sich im Wahlkampf gerne in die Aura seines Vaters, des ehemaligen Ministerpräsidenten und Baulöwen Rafiq, der 2005 Opfer eines Attentats wurde und seither bei Syriengegnern als Märyrer gilt: Viele seiner Kampagnenbilder lassen den Sohn unter dem wohlwollenden Blick des Vaters agieren und zeigen die große Ähnlichkeit zum Vater, von dem der Sohn ein immenses Vermögen erbte.
Als Vorbereitung auf die Wahl hat das Zukunftsbündnis Hariris eine mehrsprachige Medienplattform geschaffen, die detailiert über die Entwicklungen in den 14 Wahlkreisen des Landes berichtete – und immer wieder negative Gerüchte über den politischen Gegner Hisbollah verbreitete, so wurden den Schiiten wiederholt kriminelle Aktivitäten, mafiöse Strukturen und Gewalt unterstellt.
Auch die Hisbollah, die gemeinsam mit der christlichen „Freien Patriotischen Union“ unter Michel Aoun, der schiitischen „Amal-Bewegung“ und der im Nordlibanon beheimateten christlichen „Marada“-Bewegung das prosyrische Oppositionsbündnis bildet verfügt über eigene Medien. Die „Partei Gottes“ gründete sich 1982 als Reaktion auf die isralische Militärpräsenz im Süden des Landes mit dem erklärte Ziel diese zu beenden. Ihr Satellitensender Al Manar (der Leuchtturm) sendet professionell gemachte Propaganda auch zu Exillibanesen im Ausland.
Das dazugehörige Nachrichtenportal, das ebenfalls mehrsprachig verfügbar ist, macht neben antiisraelischer und antisemitischer Hetze auch Stimmung gegen Hariris Bündnis udn beschuldigt die Regierungskoalition derzeit, gegen das Wahlgesetz zu verstoßen. Auch gegen eine eventuelle Abrüstung der Hisbollah nach der Wahl wird vorgebaut: Eine Abstimmung fragt in umständlichem Englisch, ob die Militärübungen des Feindes (gemeint ist Israel) in der Wahl die Opposition dahingehend stärken werden, dass der Widerstand (Eigenbezeichnung der Hisbollah) seine Waffen behalten kann? Über 90 % der abstimmenden 4 000 User beantworteten die mit „ja“.
Die politischen Entscheidung im Land sind eng mit der religiösen Zusammensetzung der Bevölkerung verknüpft. Im Libanon gilt ein Pro-Porz Wahlsystem. Das bedeutet, dass die 128 Parlamentssitze, ebenso wie hohe politische Ämter nach Konfessionen vergeben werden. So ist der libanesische Präsident stets Christ, der Ministerpräsiden sunnitischer Muslim und der Parlamentspräsident Schiit. Die 14 Wahlkreise verfügen – je nach ihrer religiöser Zusammensetzung – über bestimmte Konfessionen zugeordnete Sitze: So sind 34 Abgeordnete maronitische Christen, jeweils 27 Parlamentarier Sunniten und Schiiten, 8 Sitze stehen für Drusen bereit. Die übrigen Sitze verteilen sich auf kleinere religiöse Gemeinschaften.
Umstritten ist das System vor allem deshalb, weil es sich auf veraltete demografische Daten von 1948 stützt, was die Position der maronitischen Christen stärkt. Zudem wurden die Wahlkreise immer wieder verändert wodurch sich der Einfluss einzelner Konfessionen veränderte.
Dennoch wird vor allem in den schiitisch dominierten südlichen Wahlkreisen wird fest mit einem Sieg des Bündnisses 8. März gerechnet. unklar ist der Ausgang in den christlich dominierten Wahlkreisen, da beide Bündnisse christliche Parteien einschließen.
Mit besonderer Spannung wird die Entscheidung des Wahlkreises Sidon im Süden des Landes erwartet. In der viertgrößten Stadt des Landes tritt Bahia Al Hariri, die Schwester Rafiq Al Hariris für einen der sunnitischen Sitze an – ebenso wie Ministerpräsident Fuad Siniora, der in der Küstenstadt geboren wurde.